Kirsche
Auf dem Tische
liegt ’ne Kirsche
Rot und saftig,
süß und knackig.
Sie hat Angst.
Weil sie nicht alleine ist.
Sie ahnt noch nicht, wie gut das ist.
Grad‘ denkt sie noch, das ist ’ne List.
Sie fühlt verstohlen ihren Kern
und denkt, sie muss ihn schützen.
Er leuchtet wie ein Stern.
Sie will sich nicht so reinstürzen.
In die neue Zweisamkeit.
Das ist für sie Gemütlichkeit,
doch kannte sie nur Einsamkeit.
Sie braucht ihre Anlaufzeit.
Sie schaut sich verstohlen um.
Um sie herum, da tobt ein Sturm.
Ein Toaster, der piept,
ein Kühlschrank, der gibt.
Eine Spüle, die gurgelt,
dass die Kirsche sich gruselt.
Alles so laut, alles fremd,
weil sie es nicht kennt.
Sie wendet den Blick ab,
von all dem Neuen, was sie jetzt hat
und schaut in zwei Augen.
„Wird mir das taugen?“
Und dann traut sie sich.
Sie schaut ihr ins Gesicht.
Große gelbe Augen,
frisch, fromm, fröhlich, frei.
„Willst Du Mein Herz rauben?“
„Das würd‘ ich mir nie erlauben!
Komm, jetzt sind wir Zwei!“
Und dann fühlt sie: Es ist wahr.
Wahrhaftig, einfach wunderbar.
Sie gibt sich einen Ruck
und gibt ihr einen Kuss.
Der Orange, ein Genuss.
© Sophie Bachmann, 2020