Der Besucher

Es war einmal eine alte Frau.
Sie lebte in einem kleinen Haus
auf einer Lichtung
in einem Wald.

Die meiste ihrer Zeit
verbrachte sie damit,
die Blumen in ihrem Garten
zu pflegen.

Und wenn ihr danach war,
machte sie einen Spaziergang
und sprach mit den Bäumen,
die in der Nähe
ihres kleinen Hauses standen.

Wenn die Sonne schien,
dann leuchtete sie.

An einem der Sonnentage,
es war der erste
richtig warme Tag im Jahr,
stand plötzlich
ein alter Mann in ihrem Garten.

„Guten Tag“
sprach er.
„Haben Sie vielleicht
ein Glas Wasser für mich?“

Da die alte Frau sehr hilfsbereit war,
ging sie schnell hinein
und brachte dem Alten
das Gewünschte.

Der Mann trank mit raschen Zügen.
„Vielen Dank!“ sagte er höflich.
Dann wandte er sich um
und wollte gehen.

„Warten Sie!“

„Ja?“

„Wollen Sie sich nicht
zu mir auf die Bank setzen
und ein bisschen die Sonne genießen?“

Der alte Mann zögerte.
Dann aber gab er sich einen Ruck
und nahm Platz.

Und so saßen die beiden
den Rest des Nachmittages
gemeinsam
auf der Bank
und genossen die Sonne.

Als der Himmel sich rot färbte,
ging die Frau in ihr Haus,
um sich etwas Warmes
zum Anziehen zu holen.

Als sie wieder aus ihrer Tür trat,
war der Besucher weg.

„Schade“ dachte sie.
Denn sie hatte den Nachmittag
sehr genossen.

Sie setzte sich wieder auf ihre Bank
und betrachtete den roten Himmel.
Dann wandte sie den Kopf
und schaute auf den nun leeren Platz
auf ihrer Bank.
Dorthin, wo der Mann gesessen hatte.

Dort lag eine Perle.

Sie nahm sie
und steckte sie in ihre Rocktasche.

„Danke“ flüsterte sie.

Und so lebte die alte Frau
noch ein paar Jahre
in ihren kleinen Haus
und pflegte ihre Blumen.

Ein Besucher kam nicht mehr.

Aber immer
wenn sie sich einsam fühlte,
dann steckte sie ihre Hand
in ihre Rocktasche
und fühlte nach der Perle.

Als ihr letztes Mahl gekommen war,
legte sie die Perle neben ihren Teller.

Während sie aß,
hörte sie
in ihrem Kopf
leise
die Stimme des alten Mannes:

„Kommst Du?“

„Ja“ antwortete sie.

Sie legte den Löffel beiseite.

Ihre Hand umschloss die Perle

und sie schlief ein.

© , 2021

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